Gleiche Leistung – Gleiche Prämien – Gleiche Förderung!

B42

01.08.2022 Lesezeit: 3 min

Wir müssen durch Sport gesellschaftliche Ungleichheiten angehen, nicht manifestieren. Jetzt!

Es geht um mehr als nur um Fußball!

Was für ein großartiges Sportereignis. Mehr als drei Wochen lang hat uns die Fußball-EM in England in den Bann gezogen. Rasanter Fußball, volle und laute Stadien, sympathische Athletinnen und am Ende ein nervenaufreibendes Finale.

Diese Europameisterschaft hat uns etwas zurückgegeben was wir fast schon ein wenig verloren geglaubt hatten: Ein buntes und friedliche Fußballfest bei strahlendem Sommerschein. Gemeinsam schauen, gemeinsam mitfiebern, jubeln, trauern, feiern und fachsimpeln. Ein klassischer Fußballsommer eben.

Und es wurde uns eine Nationalmannschaft beschert, die uns das Mitfiebern und die Identifikation leicht gemacht hat. Nicht aus stupidem Patriotismus, aber weil diese Spielerinnen, sportlich und menschlich absolute Vorbilder sind. Eine fußballerisch großartige Leistung gepaart mit Bescheidenheit, Offenheit und Teamgeist. Nicht die schlechtesten Repräsentantinnen für einen strauchelnden Verband und ein Land am gesellschaftlichen Scheideweg.

In Zeiten von Fridays for Future, Black Lives Matter, globaler Pandemie, weiterhin unzureichender Gleichberechtigung und gelebten Sexismus – vielen Dank liebe Bild-Zeitung, dass ihr das vor dem EM-Finale nochmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt habt – beschäftigen uns ganz offensichtlich mehrere gesellschaftliche Brennpunkte gleichzeitig. Diese sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts warten nach wie vor auf eine Antwort.

Eine entscheidende Rolle wird dabei unserer Zivilgesellschaft spielen (müssen). Dann wenn Politik und Wirtschaft, die Kernelemente der sozialen Marktwirtschaft und damit unseres gesamtgesellschaftlichen und ökonomischen Leitbilds, zu langsam, schwerfällig oder wirtschaftsliberal agieren, ist es Aufgabe der Zivilgesellschaft laut und aktiv zu werden.

Lieber DFB!

Lieber DFB, als eingetragener Verein seid ihr Teil dieser Zivilgesellschafft. Und damit habt ihr eine Verantwortung. Einer Verantwortung, zu der ihr euch in §4 eurer eigenen Satzung ausdrücklich und unmissverständlich verpflichtet: „Zweck des DFB ist die Förderung des Sports. Dieser Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die Vermittlung von Werten im und durch den Fußballsport, unter besonderer Berücksichtigung der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau“ sowie „die angemessene Unterstützung gesellschaftspolitischer Aspekte mit den Möglichkeiten des Fußballs“.

Der Ball liegt jetzt im Feld des größten Einzelsportverbands der Welt. Es ist Zeit, dass er dieser Verantwortung, seinem tatsächlichen Zweck als e.V. und zivilgesellschaftlichem Akteur, entspricht. Das bedeutet eben auch, gesellschaftliche Ungleichheit, verursacht durch eine (un)soziale Marktwirtschaft, nicht zu übernehmen und damit zu verstärken, sondern zu hinterfragen und zu bekämpfen.

Und das kann nach dieser Europameisterschaft nur eines bedeuten:

Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung!

Close the gap! Das schuldet ihr uns allen…

Nach so einer Europameisterschaft muss das der erste Schritt, die erste Konsequenz sein. Und zwar nicht erst für das nächste Turnier, sondern bereits rückwirkend für diese EM!

Und ja, es geht tatsächlich ums Leistungsprinzip. Profifußballerinnen leisten genau das Gleiche wie Profifußballer. Sie trainieren genau so häufig, ordnen ihr Leben in gleicher Weise dem Sport unter und fighten am Ende 90 Minuten lang um den Sieg. Und es gibt noch etwas, das sie gemeinsam haben: sie spielen Fußball. Nicht Frauen- und/oder Männerfußball. Einfach Fußball.

Warum wir bezüglicher gleicher Entlohnung seitens der Sportverbände im Fußball nach wie vor so rückständig sind, ist ein Mysterium. Oder gesellschaftliche Ignoranz. Oder einfach sexistisch.

Denn ist es schon lange selbstverständlich, dass bei großen internationalen Wettkämpfen (z.B. Olympische Spiele) Frauen und Männer die gleichen Medaillen und Siegprämien erhalten. Außerdem sollte das klassische und veraltete Argument vieler Möchtegern-Ökonomie-Professoren – „die Männer spielen ja auch viel mehr Geld ein“ – für den DFB als e.V. keine Handlungsdirektive darstellen, sondern vielmehr zu demütigen Wiederhutmachung animieren.

Denn die Gründe für das geringere Interesse, sowie die niedrigeren Zuschauerzahlen und Einnahmen im Frauenfußball sind deutlich komplexer als die „Leistung“ auf dem Rasen. Die zweckgebundene (Achtung, erneutes Satzungszitat) „Förderung des Sports“ wurde seitens des DFBs bis 1970 nämlich mit einem Totalverbot für Frauen interpretiert. Ein kleiner historischer Fauxpas, der die (ökonomischen) Entwicklung eventuell minimal beeinträchtigt haben könnte.

Vorbilder zum Vorbild machen

Aber eigentlich geht es nicht um Wiedergutmachung. Zumindest nicht im Sinne sportgesellschaftlicher Reparationszahlungen. Stattdessen geht es darum, gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Für diese Zukunft sind unsere EM-Heldinnen die Vorbilder. Für uns alle. Aber vor allem für alle jungen Frauen und Mädchen. Denn sie repräsentieren vieles, was unsere Gesellschaft ausmacht. Oder zumindest ausmachen sollte. Teamgeist. Solidarität. Verantwortungsbewusstsein. Toleranz. Diversität. Frauen.

In einer Zeit globaler Krisen, in der – vollkommen zurecht – Terminologien wie „feministische Außenpolitik“ Teil unseres politischen und gesellschaftlichen Diskurses werden bzw. sind, brauchen wir (mehr) weibliche Vorbilder.

Aber welche Botschaft senden wir an alle jungen Frauen und Mädchen – nein, unsere gesamte Gesellschaft – wenn unsere weiblichen Vorbilder für ihre Leistung nicht mal mit einem Sechstel dessen belohnt werden, was ihre männlichen Kollegen erhalten.

So großartig die sportlichen und gesellschaftlichen Erfolge unserer Nationalmannschaft in den letzten Wochen waren. Diese Botschaft wäre fatal. Anstatt Ungleichheiten zu durchbrechen und zu besiegen, würden wir sie am Ende weiter manifestieren. Ein Schritt vor, zwei zurück.

Einen zweiten Schritt nach vorne hat der DFB bereits selbst initiiert: Die "STRATEGIE FRAUEN IM FUSSBALL FF27>>" ist ein wertvoller und vielversprechende Schritt in die richtige Richtung. Aber dieser Schritt braucht Power. Intern und extern. Nur wenn WIR – ganz (Fußball)Deutschland – diesen Schritt gemeinsam gehen, wird er die gewünschte Wirkung und Resultate erzielen.

Wenn nicht wir, wer dann?

Die Forderung an uns alle lautet ganz einfach. Gleiche Prämien für Frauen und Männer. Aber wir müssen außerdem diese einmalige Chance der ungeteilten Aufmerksamkeit und des ganzen Hypes für einen nachhaltigen Strukturwandel und -Aufbau nutzen. Noch dieses Jahr!

Wie? Wenn aus vielen Einzelspieler*innen und Interessen ein WIR wird und ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt. Unser Projekt.

Unsere konkreten Forderungen:

1) Wir brauchen einen Solidarpakt zwischen den Nationalmannschaften.         
Prämien von UEFA und FIFA, für Frauen- und Männerturniere, werden in einen Topf geworfen und gleichberechtigt an die Nationalmannschaften nach Leistung ausbezahlt.

2) Der DFB sollte eine Stiftung gründen zur Förderung von Frauen- und Mädchenfußball unter besonderer Berücksichtigung der Verwirklichung der gesamtgesellschaftlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau. Direkt gekoppelt and die FF27, allerdings mit klarem Fokus zur Generierung von Mitteln zur Stärkung der Basis.

3) Wir implementieren ein Corporate-Development-Budget.
Gemeinsam mit allen kommerziellen DFB-Partner und Sponsoren wird – zusätzlich zu den bestehenden Verträgen – eine neue Prämienstruktur entwickelt und als Budget zielgerichtet und zweckgebunden ausschließlich der neugegründeten Stiftung zur Verfügung gestellt.

Und wir gehen voran. Weil wer fordert muss auch liefern. Deswegen...

4) Wir starten eine einmaliges Projekt und initiieren einen umfangreichen Fördertopf der gezielt und ausschließlich Projekten aus dem Amateurfußball und der Stärkung von Frauen und Mädchen im Fußball zukommt. Es geht nicht nur um Equal Pay in der Nationalmannschaft, sondern auch um Equal Play überall. Die Planung läuft bereits auf Hochtouren.

Hört sich alles irgendwie utopisch an? Ist es auch! Genau deswegen machen wir es. Was ist mit euch?

Be fearless. Be focused. B42.