Schneller werden mit perfektem Antritt

B42

24.08.2020 Lesezeit: 3 min

Ein Gastbeitrag unseres Experten Lasse Ahl über den Antritt im Fußball und wie du ihn verbessern kannst

(Teil 1 der Serie Schnelligkeit im Fußball findest du hier. Teil 2, um schneller zu werden, hier.)

Der „Antritt“ (oder auch Abdruck) ist unserer Meinung nach einer der wichtigsten Komponenten im Fußballsport und Hauptfaktor, um schneller zu werden.

Wer die Qualität besitzt, sich selbst in kurzer Zeit zu beschleunigen, hat im Kampf um den freien Raum oder den Ball einen enormen Vorteil.

Auch im Champions-League-Finale 2020 in Lissabon waren es wieder einmal die Jungs mit den Mopeds unterm Hintern, die zu den spielentscheidenden Akteuren avancierten. Ob Coman auf Seiten der Bayern oder di Maria bei PSG – je schneller die Spieler, desto höher die Gefahr für die Abwehr.

Im heutigen Blog dreht sich deshalb alles rund um das Thema Beschleunigung, Antritt und Abdruck. Wir zeigen dir deshalb zunächst die Magie hinter der Theorie und geben dir ein komplettes Workout mit auf den Weg, mit dem du an deiner Schnelligkeit arbeiten kannst. Damit künftig auch du zu dem Spielentscheider oder zu der Spielentscheiderin auf dem Feld werden kannst. Damit auch du schneller werden kannst.

Hier geht es direkt zum Trainingsprogramm

Beschleunigung im Fußball physikalisch erklärt

Im Wesentlichen beschreibt der Moment des Abdrucks (horizontal oder vertikal) in einer Sprint- oder Sprungsituation das Verhältnis der Kraft (F = m*a) in Bezug zum Körpergewicht des Athleten/der Athletin (= Relativkraft) gegen einen hohen Widerstand (Gravitation).

Ist eine rein physikalische Definition von Kraft im Fußball ausreichend?

Das Problem, auf das wir hier oftmals stoßen ist, dass die „Kraft“ in der oben gezeigten Newton’schen Gleichung rein physikalisch beschrieben wird.

Doch die bio-physikalischen Komponenten der Maximalkraft, der maximalen Geschwindigkeit, der Power-Entwicklung und des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus spielen gleichsam ihre Rollen in der Expression von athletischen Fähig- und Fertigkeiten.

Vielmehr bedeutet das, dass nicht nur die reine „Körperkraft“ oder das Körpergewicht den Antritt (oder eben andere athletischen Bedingungen) beeinflussen kann.

Ein Überblick über die Ausbildung athletischer Fähigkeiten

Auch das neuromuskuläre Leitverhalten (Conduction) oder die kontraktilen Bindegewebseinheiten (z.B. Sehnen = Reaktivität) stellen potentielle Einflussfaktoren dar.

In einer nachfolgenden Übersicht haben wir deshalb allgemeine Vorschläge zusammengetragen, wie eine Übersetzung der beschriebenen Variablen in einem Training aussehen könnte.

Jedoch immer mit dem übergeordneten Ziel, mehr Leistung (P), in einer kurzen Zeiteinheit zu produzieren, um die entscheidende Millisekunde im Vorteil zu sein.

Nachdem wir euch illustriert haben, was für Komponenten die Kraft & Geschwindigkeits-Beziehung (konditionell) beeinflussen könnte, werden wir nun, in verkürzter Form, das Prinzip der Kraftentwicklungsfähigkeit skizzieren.

Somit sollte klar sein, wieso es von Vorteil ist, Kraft schneller übertragen zu können. Es hilft dir konkret, schneller zu werden.


Kraftentwicklungsfähigkeit (Rate of Force Development) für einen besseren Antritt im Fußball

Im Grunde ist die Beziehung zwischen Kraft (F), Geschwindigkeit (V) und Leistung (P) (Force-Velocity-Power Relationship), die Antwort auf die Frage, warum der Fußball ein „Schnelligkeitssport“ ist.

Und deshalb auch, warum es den Antritt im Fußball zu verbessern gilt, um die Sprintgeschwindigkeit im Fußball zu erhöhen.

Beim Abdruck wirken Kräfte bis zum Fünffachen des eigenen Körpergewichts

Denn das Zeitfenster, in dem eine bestimmte Kraft in den Boden übertragen werden muss, um Vortrieb (vertikal & horizontal) zu generieren ist äußerst kurz:

ca. 0,05 – 0,2s (z.B. Sprinttrittfrequenz)

Demgegenüber steht die Zeit, in der maximale Muskelkontraktionen stattfinden können, was bei ca. 0,3 – 0,4s der Fall ist. Zudem ist der Widerstand durch die Erdanziehung sowie das eigene Körpergewicht äußerst groß.

Beim Abdruck können Kräfte wirken, die das Fünffache (ca. 2.000 – 3.500N) des eigenen Körpergewichts ausmachen können.

„Da soll noch einmal jemand sagen, dass Fußballspieler kein Krafttraining brauchen“ (Nils Heim).

Schnellere Rekrutierung von Muskelfasern bedeutet mehr Kraft in der Beschleunigungsphase - schneller werden als FußballerIn

Dadurch, das Kraftmax (F) und Geschwindigkeitmax (V) in komplexen Bewegungen (anders als bei isolierten Muskelkontraktionen) eine quasi-lineare Beziehung zueinander haben, muss der Athlet seine Leistung (P) so schnell wie möglich entwickeln können.

Hierdurch entsteht ein sogenanntes Explosivkraftdefizit – was eine Aussage darüber trifft, wie hoch der Verlust der Leistung (P) eines Athleten ist. Ein Athlet der fähig ist in sehr kurzer Zeit mehr Muskelfasern zu rekrutieren, wird in der Beschleunigungsphase mehr Kraft in den Boden geben können.

Ergo: der Antritt im Fußball wird verbessert

„How fast can you generate Force (Neural Drive) and how fast can you transmit it (Muskel-Sehnen-Komplex)”? (Max Schmarzo).


Force-Velocity-Power-Relationship

In dieser Abbildung sehen wir einen zur Darstellung relativ typischen Verlauf zweier Athleten/Athletinnen.

 

Zwar erreicht A2 ein höheres Maß an zu realisierender Maximalkraft, doch sein Ppeak erreicht er/sie deutlich später als A1.

A1 hingegen erreicht seinen Ppeak innerhalb von 50ms, was ihm/ihr einen entscheidenden Vorteil im Antritt, Sprung oder auch bei einem Richtungswechsel geben wird.


Schneller werden - Was es zu beachten gilt!

Je untrainierter ein Athlet ist, desto mehr wird er/sie davon profitieren, wenn die Maximalkraft angehoben wird.

Dennoch reicht es ab einem gewissen Trainingszustand nicht mehr aus, ausschließlich langsam, schwere Gewichte zu bewegen, um schneller Kraft zu produzieren.

Es sollte also ebenso in anderen Geschwindigkeits-Kraft-Spektren gearbeitet werden.

Zudem sind ballistische und plyometrische Übungen relativ einfach in ein Training zu integrieren.

Vorteil: Es wird hierfür wenig Equipment benötigt und kann nahezu überall durchgeführt werden.

Athletisch versus explosiv

Explosiv- und Schnellkraft illustrieren das, was wir in einem Athleten landläufig als „athletisch“ oder „explosiv“ bezeichnen würden.

Beide Qualitäten sind jedoch durch unterschiedliche Widerstände und Geschwindigkeiten entwickelbar.

Da diese beiden Kraftfähigkeiten eine Beziehung zur Kraft-Geschwindigkeit-Kurve haben und sie somit auch Verändern können, verändern sich ebenfalls ihre Verhältnisse untereinander.

Je nach Trainingsfortschritt und Individuum.

Die Schulung der Kraftentwicklungsfähigkeit benötigt also adäquate Widerstände. Denn ist ein Widerstand zu gering, dann ist gleichzeitig die Geschwindigkeit der Bewegung zu hoch, um genügend Kraft übertragen zu können.


Wer höher springen will oder schneller laufen möchte, muss genau dies trainieren

Um die verschiedenen, oben illustrierten Qualitäten hinreichend auszubilden, empfehlen wir den Ansatz „Surfe the Curve“.

Dis soll bedeuten, dass es Sinn machen kann, mit verschiedenen Widerständen und Geschwindigkeitsspektren zu arbeiten.

Dennoch ist es von Zeit zu Zeit nötig mit maximalen Widerständen und ebenso mit maximalen Geschwindigkeiten zu arbeiten, um die Kapazität eines Athleten erhöhen zu können.

Nichtsdestotrotz bleibt die Spezifität einer Aufgabe erhalten.

Wer also höher springen will oder schneller laufen möchte, muss genau dies tun.

Alles andere sind deshalb weitere „Zulieferer“, um das Ziel zu erreichen.


Phase des Antritts - Entscheidend beim Sprint Training im Fußball

Bevor es an die Übungen geht, folgt noch eine kurzweilige Skizzierung der wichtigsten Technikkomponenten, auf die es sich als Trainer*in lohnt zu achten:

Innerhalb eines Blog-Eintrags wird es leider nicht möglich sein, auf alle gängigen Technikmerkmale einzugehen.

Darüber hinaus müsst ihr euch klar machen, dass wir Fußballer*innen einen linearen Sprint (hier: den Antritt) beibringen, um mit höheren Geschwindigkeiten und kraftvolleren Abdrücken arbeiten zu können.

Wie bereits in den anderen Teilen (Teil 1, Teil 2) erwähnt kann dies die Leistungsfähigkeit anheben und überdies als Verletzungsprophylaxe dienen.

Nichtsdestotrotz bieten sich im Spiel andere Einflüsse als bei einem technischen Sprint, da Gegner, Ball und Raum wesentliche Einflüsse auf die Bewegungen haben werden.

Dein Trainingsprogramm, um deinen Antritt im Fußball zu verbessern und um schneller zu werden:

Warm-Up Teil 1 – PRIMES

No Warm-Up, no Party!

Vor allem Sprint Training benötigt ein sinnvolles und abgestimmtes Aufwärmprogramm.

Im ersten Teil konzentrieren wir uns deshalb auf die perfekte Aktivierung deines kompletten Organismus.

 

 

Warm-Up Teil 2 – PREPS

Im zweiten Teil bereiten wir dich noch mehr auf die folgenden (Sprint-)Belastungen vor.

Fußballspezifisch und aktiv wählen wir deshalb Übungen, die dich optimal vorbereiten.

 

 

Training für einen besseren Antritt –
Teil 1: Plyos

Übung 1: Extended Hop Down

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal drei Wiederholungen

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Übung 2: Pogo Hops

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal 10 Sekunden

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Übung 3: Counter Movement Jump

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal 3 Wiederholungen

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Übung 4: Broad Jump

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal 3 Wiederholungen

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Training für einen besseren Antritt –
Teil 2: Sprints

Übung 5: Wicked Run

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal 3 Wiederholungen

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Übung 6: Starting Push-Up

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal 3 Wiederholungen

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Übung 7: Falling Sprint

 

 

Wiederholungszahlen:

Zwei Sätze mal 3 Wiederholungen

Pausenzeiten:

30 bis 60 Pause

Über den Autor

Lasse Ahl – Sportwissenschaftler (M.A.)

Unser Autor Lasse Ahl (33) spielt selbst seit seinem 11. Lebensjahr aktiv Fussball, betreibt darüber hinaus additives Krafttraining sowie Rad-, Lauf- und Skisport. Er ist Sportwissenschaftler (M.A.) an der Universität Göttingen und arbeitet seit mehreren Jahren im Fitnessstudio des Uni-Sports und beim Hochschulsport. Seit 2017 ist er darüber hinaus als Academy Education Director für die Aus- und Weiterbildung der Übungsleitenden der Universität Göttingen in den Bereichen Trainingswissenschaft und den Grundlagen der Physiologie & Anatomie verantwortlich.

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Quellen:

Morin, J.-B. & Samozino, P. Interpreting Power-Force-Velocity Profiles for Individualized andSpecific Training. Int. J. Sports Physiol. Perform.11, 267–272 (2016).

Giroux, C., Rabita, G., Chollet, D. & Guilhem, G. Optimal Balance Between Force and Velocity Differs Among World-Class Athletes. J. Appl. Biomech.32, 59–68 (2016).

Vandewalle, H., Peres, G., Heller, J., Panel, J. & Monod, H. Force-velocity relationship and maximal power on a cycle ergometer: Correlation with the height of a vertical jump. Eur. J. Appl. Physiol. Occup. Physiol.56, 650–656 (1987).

Rahmani, A., Viale, F., Dalleau, G. & Lacour, J.-R. Force/velocity and power/velocity relationships in squat exercise. Eur. J. Appl. Physiol.84, 227–232 (2001).

Cormie, P., McCaulley, G. O. & McBride, J. M. Power Versus Strength–Power Jump Squat Training: Influence on the Load–Power Relationship. Med. Sci. Sports Exercise39, 996–1003 (2007).

Taeger, 2016. Breiter Stärker Härter. Eigendruck.

https://complementarytraining.net/force-velocity-curves-the-good-the-bad-the-ugly/

www.theedgeu.com – Webinar zum Thema: Rate of Force Development

https://www.researchgate.net/publication/7628671_Relationships_between_Ground_Reaction_Force_Impulse_and_Kinematics_of_Sprint-Running_Acceleration

https://www.researchgate.net/publication/271907679_A_simple_method_for_measuring_power_force_and_velocity_properties_of_sprint_running

https://www.researchgate.net/publication/320071085_Association_of_Sprint_Performance_With_Ground_Reaction_Forces_During_Acceleration_and_Maximal_Speed_Phases_in_a_Single_Sprint