Gamification und E-Sports im Amateurfußball

B42

09.05.2021 Lesezeit: 3 min

Kann man durch "Zocken" besser werden?

Solche Formulierungen hat wohl jede dem Gaming zugetane Person schon zu hören bekommen. Viele Sportler*innen haben dies wiederum womöglich schon selbst ausgesprochen. Doch diese beiden Sichtweisen nähern sich zunehmend einander an.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie erhält Esports erhöhten Zulauf. Schon zuvor gewannen Online Games wie „Fortnite“ oder „League of Legends“ enorm an Aufmerksamkeit hinzu. Battles werden teils live im TV übertragen. 

Und einige Fußball-Klubs von Weltrang gründen ihre eigenen Teams, um weltweit an „Fifa“-Ligen von EA Sports teilzunehmen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die ersten Vereine überlegen, ob und wie man denn das Zocken an der Konsole sinnvoll in den Trainingsplan integrieren kann. 

Als eine Art Vorreiter kann hierbei die TSG Hoffenheim bezeichnet werden. Bereits seit einigen Jahren verfolgt die Akademie des Fußball-Bundesligisten das Prinzip der Gamification.

Mit Videospielen Reaktionszeit trainieren

Gamification, was ist das? Bei Wikipedia steht hierzu: Als Gamification wird die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext bezeichnet.

Übersetzt bedeutet dies: das Verbessern der für den Sport nötigen Fähigkeiten anhand von Videospielen.

So wird beim Daddeln beispielsweise das periphere Sehen geschult oder die Informationsverarbeitung im Gehirn. Auch verbesserte Konzentration oder eine schnellere Entscheidungsfindung in unvorhergesehen Situationen werden durch das Zocken gefördert.

Eine wesentliche Eigenschaft, die sowohl beim Gamen als auch auf dem Fußballplatz quasi ständig zum Einsatz kommt, ist die Reaktionsschnelligkeit. Für Feldspieler kommt dies beim Timing bei der Grätsche zum Tragen, Abwehrspieler blocken so einen Schussversuch des Gegners und als Stürmer kannst du dadurch schneller reagieren, wenn der Ball vom Torhüter abprallt.

Am Wichtigsten ist eine schnelle Reaktion aber sicherlich für den Keeper. Mit einer Glanzparade kann der Rückhalt des Teams ein Spiel zu seinen Gunsten entscheiden, oder eben nicht. Beim Torwarttraining ist der Effekt am Computer daher besonders hoch.

TSG Hoffenheim als Pioniere bei der Gamification

Bei der TSG Hoffenheim ist man fest davon überzeugt, dass Gamification im Fußball gesteigerten Erfolg verspricht. „Alle Sachen, die wir auf dem Platz brauchen, kann man auch mit Action-Videospielen trainieren - wissenschaftliche Untersuchungen haben dies mehrfach gezeigt“, sagt Prof. Dr. Jan Mayer, Sportpsychologe der TSG und Verfechter der Integration des Alltags in erster Linie der jüngeren Spiele in den Trainingsbetrieb.

„Man kann die Spieler durchaus schneller im Kopf machen“, erklärt Mayer bereits 2015 auf der Vereinshomepage der Kraichgauer. „Wir machen zu Beginn Tests, um etwa zu sehen, wie gut die Spieler im peripheren Sehen sind. Wenn wir dann merken, dass es Nachbesserungsbedarf gibt, bieten wir die Möglichkeit, daran zu arbeiten“, beschreibt Mayer weiter.

Auf dem Trainingsgelände haben die Hoffenheimer dafür eigens die sogenannte „Helix“ eingerichtet. Dies ist ein Raum mit einer um 180 Grad gebogenen Projektionsfläche, in etwa 8 Mal 2,50 Meter groß. Hier finden von den Profis bis hin zum Nachwuchs in der Akademie teils mehrmals wöchentlich organisierte Trainingseinheiten statt.

Alle paar Monate werden die Spieler*innen erneuten Tests unterzogen, um die Fortschritte festzustellen. Anregungen zu diesem Konzept haben sich sowohl der DFB als auch Klubs der englischen Premier League bereits geholt.

„Fifa“ vereint Fußball und Gaming

Dabei können mehrere Games eine Rolle bei der Entwicklung der auch auf dem Fußballplatz entscheidenden Fähigkeiten spielen.

In Hoffenheim sind dies durchaus auch banal erscheinende Spiele, bei denen es darum geht, die „exekutiven Funktionen“ - wie es im Fachjargon heißt – zu trainieren. Darunter fällt die Informationsverarbeitung, das Vorausdenken und die Entscheidungsfindung. Auch Geschicklichkeitsspiele oder Ego-Shooter können förderlich sein. Bei Letzterem ist die so wichtige Handlungsschnelligkeit und das periphere Sehen gefragt.

Ein Videospiel, das natürlich Fußball und Gaming vereint ist „Fifa“. Der Fußball-Simulator erfreut sich gerade unter den Nachwuchs-Kickern größter Beliebtheit. Im Bus oder im Flugzeug wird auf dem Smartphone gezockt. Nicht selten ist die Konsole mit auf Reisen.

Während in Fachkreisen immer wieder diskutiert wird, ob nun „Fifa“ oder „Pro Evolution Soccer“ das realistischere Game sei, hat es „Fifa“ längst aus den Wohnzimmern auf die große Bühne geschafft. Große Turniere werden abgehalten, von der Bundesliga bis zur Champions League, alles gibt es auch virtuell.

Auch Ibrahimovic holt sich Anregungen im Videospiel

Die TSG Hoffenheim macht sich die Beliebtheit bei der „Generation Smartphone“ zu nutzen. Hobby und Beruf werden vereint.

Kein/e Spielerin muss mehr ein schlechtes Gewissen haben, vom/von der Trainerin beim Daddeln erwischt zu werden. Im Gegenteil:

Es wird offen darüber gesprochen, wer der/die beste Zocker*in in der Mannschaft ist.

Kein Wunder also, dass diese innovativen Trainingsansätze unter den Aktiven auf große Gegenliebe stoßen. Mesut Özil etwa gründete sein eigenes Esports-Team, der französische Weltmeister Antoine Griezmann wurde schon mehrfach bei einem Jubel, der an das Battle-Royale-Game „Fortnite“ angelehnt ist, abgelichtet.

Und Zlatan Ibrahimovic schreibt in seiner Biografie von Lösungen auf dem Spielfeld, die er beim „Fifa“-Zocken entdeckt hat. Fußball auf der Konsole erfordert viele Eigenschaften, die auch auf dem realen Platz gefragt sind.

„All diese Trainingseffekte, die wir durch Gamification erreichen wollen, werden bei 'Fifa' in Kombination trainiert“, sagt Mayer.

Forschung im Bereich Gamification erst am Anfang

Blickt man in die Zukunft, so ist zu erwarten, dass die Gamification im Fußball zunehmend wichtiger wird. Schon jetzt, unter den gegebenen Umständen, die es vor allem für Amateursportler*innen schwer machen, gemeinsam auf dem Platz zu trainieren, könnte das Erlernen wichtiger Fähigkeiten auf der Konsole einen großen Stellenwert einnehmen.

Die Forschung in diesem Bereich steht erst am Anfang. Natürlich dürfen auch Aspekte wie Spielsucht, fehlende Bewegung und das Vernachlässigen sozialer Kontakte oder das Limitieren der sozialen Weiterentwicklung vor allem bei Kindern nicht außer Acht gelassen werden.

Hierzu gibt es jede Menge kritische Stimmen.

Jedoch ist ein kontrolliertes Training nach einem fest vorgegebenem Plan á la Hoffenheim allemal besser als das unkontrollierte Zocken zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Und mal ehrlich: Welche Computer interessierte Person, die schon einmal mit ihren Freund*innen Fifa gezockt hat, fände es nicht cool, wenn Gaming künftig auch in der breiten Masse der Sportverrückten seine Berechtigung erlangen würde?

Nerd und Stubenhocker hin oder her.

Achievements, Leistungstests und Co. -
Auch unsere Trainingsapp wird sich bald weiterentwickeln

Auch wir waren in den letzten Monaten nicht untätig und haben uns dank einer ehrlichen Trainings-Community sowie unzähligen Gesprächen mit Proficlubs in puncto "Gamification" inspirieren lassen.

Deshalb werden demnächst Achievements für mehr Motivation im Training sorgen und Leistungstests den Vergleich zu sich selbst und anderen ermöglichen.

Zu viel wollen wir jedoch an dieser Stelle noch nicht verraten.

Ihr dürft gespannt sein!

Be fearless. Be focused. B42