Nachdem sich Sport über Kontinente hinweg in den jeweiligen Gesellschaften etabliert hatte, wurde er um die Jahrhundertwende institutionalisiert. Die beiden prominentesten Erzeugnisse: FIFA der internationale Fußballverband und natürlich das IOC, das internationale olympische Komitee, heutzutage so etwas wie der weltweite Dachverband des Sports.
Während es bei der FIFA noch bis 1930 zur ersten Weltmeisterschaft dauerte, trug das IOC bereits 1896 die ersten olympischen Spiele der Moderne in Athen aus und sah sich 1912 in Stockholm auch schon dem ersten politischen Affront ausgesetzt.
Sportliche Unabhängigkeitserklärung in Stockholm
Schon damals zogen die Mannschaften zu Beginn unter ihrer jeweiligen Landesflagge ins Olympiastadion ein. Für die Finnen – damals zum russischen Zarenreich gehörend – Anlass für eine kleine Protestaktion: Direkt nach Betreten des Stadions ließ man sich einige Meter vom Rest der russischen Mannschaft zurückfallen, aus dem Publikum wurde eine finnische Fahne gereicht und man marschierte „unabhängig“ unter eigener Flagge am schwedischen König vorbei. Der russische Botschafter war wenig begeistert.
Berlin 36...
24 Jahre später sind wir bereits an einem ersten Höhepunkt der politischen Instrumentalisierung von Sport – und am Beginn erster Entpolitisierungsversuche. Wahrscheinlich gibt es kaum ein besseres und traurigeres Beispiel für die politische Instrumentalisierung einer Sportveranstaltung, als die bereits erwähnten olympischen Spiele von 1936 in Berlin.
Die Propaganda-Maschinerie des NS-Staats lief auf Hochtouren, nie zuvor waren Olympische Spiele besser organisiert und ein Land besser präsentiert gewesen. Der polnische Botschafter in Berlin, Jozef Lipski kommentierte: „Wir müssen auf der Hut sein vor einem Volk, das so zu organisieren versteht. Eine Mobilmachung in diesem Land wird genauso reibungslos funktionieren.“
Wovon die gesamte Weltöffentlichkeit, die diese Spiele in Berlin genauso die Augen verschloss wie die deutsche Zivilbevölkerung: 30 Kilometer vor den Toren der Stadt wurde zeitgleich zu den Spielen mit dem Bau des KZ Sachsenhausen begonnen. Prominentester „Versteher“ des NS-Regimes: Avery Brundage, größter Boykottgegner innerhalb der amerikanischen Delegation, Antisemit und späterer IOC-Präsident. Er wird uns für ein paar Jahrzehnte begleiten, als Person und beispielhafter Entpolitisierer.
Spiele sind Spiele – und sie müssen weiter gehen...
Sein wichtigster Agendapunkt: Sport ist Sport, Politik und Kommerz haben hier nichts zu suchen. Das verdeutlicht in erster Linie sein Umgang mit den nächsten Zwischenfällen. Der Bau der Berliner Mauer war für Brundage selbstverständlich erst einmal kein Grund zwei deutsche Teams bei Olympischen Spielen zuzulassen, 1964 vertrat noch eine gesamtdeutsche Mannschaft die BRD und die DDR in Tokio.