Out of the Box,Vol. IV: Warum es im Amateurfußball nicht ums Geld gehen sollte!

B42

07.02.2022 Lesezeit: 3 min

Milliardenspiel Amateurfussball

Für viele überraschend hat Max Kruse – selbstgewählter Markenname „MK10“ – das zurückliegende Wintertransferfenster genutzt, um vom sympathischen Überraschungsclub Union Berlin zum VfL Wolfsburg, „Traditionsclub seit Fifa 98“, zu wechseln. Kruse hat dabei keinen Hehl daraus gemacht, dass beim Transfer auch und vor allem Geld eine Rolle gespielt hat. Nun ist Max Kruse Profifußballer und von daher ist es legitim, dass er eine solche Entscheidung von finanziellen Aspekten abhängig macht. Als Profifußballer ist er allerdings auch Vorbild. Die Botschaft, die er durch seinen Wechsel an viele fußballbegeisterte Menschen in Deutschland aussendet: Geld steht über Vereinstreue, über mannschaftlichem Zusammenhalt, über Wohlfühlklima – ja, sogar über sportlichem Erfolg.  

Wie wir seit der Doku „Milliardenspiel Amateurfußball“ wissen, gibt es auch in den unteren Ligen viele Fußballer, die bezahlt werden und für die Geld eine sehr starke Motivation ist, für einen Verein aufzulaufen. Das bedeutet auch: nicht selten verlassen diese Spieler bei einem besseren finanziellen Angebot den Verein wieder. In der wissenschaftlichen Literatur spricht man in diesem Zusammenhang vom Spielertypus des „Wechslers“. In In der Alltagssprache ist auch der Begriff „Söldner“ gebräuchlich.  

Ich habe die Umfrage, deren Ergebnisse teilweise im Rahmen von „Milliardenspiel Amateurfußball“ veröffentlicht wurden, wissenschaftlich begleitet und die Daten ausgewertet. In den nächsten Wochen erscheint ein Fachartikel dazu in den „Leipziger Sportwissenschaftlichen Beiträgen“. Hier nochmal ein Überblick über die aus meiner Sicht wichtigsten Ergebnisse: 

Jetzt mit B42 trainieren!

Jetzt starten! Jetzt starten!

Bezahlung im Amateurfußball ist keine Ausnahme

Mehr als ein Drittel (36,9 Prozent) der über 8000 Teilnehmer wurde zur Zeit der Befragung bezahlt. 

7. Liga als Grenze zwischen geselligkeits- und leistungsorientiertem Fußball

Mit zunehmendem Leistungsniveau steigt der Anteil der bezahlten Spieler. Von den 1430 Befragten, die zur Zeit der Erhebung in der 7. Liga spielten, wird eine knappe Mehrheit (50,9 Prozent) bezahlt. Damit scheint die 7. Liga – in vielen Fußball-Regionen entspricht das der Bezirks- oder Landesliga – eine Art Grenze zwischen dem unterklassigen/geselligkeitsorientierten und dem höherklassigen/leistungsorientierten Amateurfußball zu markieren. 

Gesamtsumme: mehr als eine Milliarde!

Angaben zur Höhe des monatlichen Verdiensts im Oktober 2020 machten 2790 Umfrageteilnehmer. In diesem Monat wurde an die bezahlten Spieler ein Gesamtbetrag von 1.160.657 Euro ausgeschüttet, also etwa 416 Euro pro Spieler. Auf eine Saison mit zehn Verdienstmonaten gerechnet kommt man in ganz Deutschland auf mehr als eine Milliarde Euro, die an Amateurfußballer fließen. 

Teure „Altstars“ in der Kreisklasse

Mit dem Leistungsniveau steigt nicht nur der Anteil an bezahlten Spielern, sondern auch der Durchschnittsverdienst. Interessanterweise steigt dieser in den untersten Ligen sogar nochmal an. Meine Interpretation: Es gibt in den tiefsten Ligen zwar weniger Spieler, die Geld bekommen – aber die lassen sich ihr Engagement dafür eben richtig gut entlohnen.  

Ich habe sie oft gesehen, die Ex-Verbandsliga-Spieler, die im gehobenen Alter nochmal durch die unteren Ligen tingeln. Sportlich oft ein Gewinn, menschlich nicht immer. 

Mehr Geld bedeutet mehr Vereinswechsel, weiniger Teamgeist

Spieler, die Geld erhalten, unterscheiden sich von Spielern, die nicht bezahlt werden. Erstgenannte wechseln beispielsweise häufiger den Verein: Spieler, die zur Zeit der Befragung Geld erhielten, liefen in ihrer bisherigen Karriere durchschnittlich für 3,0 Vereine auf. Unbezahlte Amateurfußballer im Durchschnitt nur für 2,2 Vereine. Auch die geselligen Begleiterscheinungen des Amateurfußballs schätzen bezahlte Spieler weniger: Der Aussage „Beinahe nach jedem Spiel sitze ich mit meinen Mitspielern in geselliger Runde zusammen“ stimmen bezahlte Amateurfußballer im Durchschnitt zu 68,3 Prozent zu, unbezahlte Spieler dagegen zu 83,5 Prozent. 

 

Letztgenannter Punkt unterstreicht nochmal, was die zunehmende Verbreitung des Spielertypus des „Wechslers“ im Amateurfußball zur Folge haben kann. Ich finde daher, Vereine sollten das Geld von Sponsoren oder Mäzenen nicht in Fußballerbeine, sondern in die sportliche Infrastruktur, den Jugendbereich oder die Digitalisierung stecken. Investiert lieber in B42 als in MK10! Gerade in den unteren Ligen sollte Fußball noch um des Fußballs Willen und nicht des Geldes wegen gespielt werden – auch damit kann man erfolgreich sein. 

Über den Autor Tim Frohwein

Tim Frohwein, Jahrgang 1983, ist Soziologe und setzt sich seit vielen Jahren wissenschaftlich und journalistisch mit dem Amateurfußball auseinander.

Er unterrichtet an der Hochschule München, ist Redaktionsmitglied beim Zeitspiel-Magazin und organisiert die Veranstaltungsreihe Mikrokosmos Amateurfußball.

Seit bald zwanzig Jahren spielt er in den Herrenmannschaften des FC Dreistern München