„Heavy Metal“ im 4-3-3: Wie Jürgen Klopp mit Pressing erfolgreich wurde

B42

30.09.2021 Lesezeit: 3 min

4 3 3. Dies sind keine belanglosen Ziffern. Fußball-Kenner*innen wissen, es handelt sich um ein Spielsystem, um eine Grundordnung auf dem Platz. Und zwar um eine offensive Variante.

Grob gesagt: 4 Abwehrspieler*innen, 3 Mittelfeldspieler*innen und 3 Stürmer*innen. Den Ursprung dieser Formation findet man in den Niederlanden. Trainer Rinus Michels etablierte in den 1970er Jahren seine Spielidee bei Ajax Amsterdam.

Was als „Voetbal totaal“ in die Fußball-Geschichte eingehen sollte, entwickelte der Fußball-Lehrer zusammen mit seinem spielenden Mittelstürmer Johan Cruyff. Dreimal in Folge gewann Ajax mit dieser 4-3-3 Taktik von 1971 bis 1973 den Europapokal der Landesmeister.

Noch heute ist das System fest im niederländischen Fußball verankert. Als der inzwischen zurückgetretene Bondscoach Frank De Boer von dieser seither traditionellen Spielidee abwich, blies ihm enormer Gegenwind entgegen.

Fortführung des „Fußball-Total

Was nach dem Wechsel von Michels zum FC Barcelona transportiert und später durch den Trainer Cruyff weitergeführt wurde, findet heute viele Fortführungen. Ein Mann, der den „totalen Fußball“ weiter perfektioniert hat, ist Pep Guardiola.

Das als „Tiki-Taka“ bekannte Erfolgsrezept basiert auf der einstigen 4-3-3 Taktik aus den Niederlanden. Das Prinzip: Alle Spieler*innen sollte in der Lage sein, jede Position zu spielen. Schon der „Voetbal totaal“ aus den 1970ern war eine Weiterentwicklung von früheren offensiven Spielstilen.

So bezeichnete einst Starstürmer Ferenc Puskas die ungarische Spielphilosophie der „goldenen Elf“ von 1950 bis 1954 ebenfalls als „totalen Fußball“. Und auch in Österreich fand die Idee bei Trainer Ernst Happel (später niederländischer Bondscoach bei der WM 1978) Gehör.

 

Erfindung des Pressing 

Was das 4-3-3 im „Voetbal totaal“ von vorangegangenen Varianten unterscheidet, ist das Pressing. Während es früher immer wieder möglich war, 50 Meter über den Platz zu dribbeln, ohne ernsthaft angegriffen zu werden, beendete der Fußball-Total solche Sololäufe a la Franz Beckenbauer aus der Abwehr heraus.

Der neue Gedanke: Raumdeckung anstatt Manndeckung. Von nun an rückten die defensiven Ketten bei gegnerischem Ballbesitz weiter auf und die Spieler schoben sich enger zusammen. So wurde der ballführende Gegner zunehmend unter Druck gesetzt, die Zeit zum Überlegen reduziert und die Fehlpass-Quote erhöht.

 

Erfolgsstory des Jürgen Klopp

Das Thema Pressing erreichte eine neue Dimension, als ein junger Mainzer Trainer die große Fußball-Bühne betrat: Jürgen Klopp. Nach eigener Aussage ein Verfechter des „Heavy-Metal-Fußballs“. Spätestens seit den Erfolgen mit Borussia Dortmund kam kein Fußball-Journalist mehr um die Unterschiede von Pressing und Gegenpressing herum.

Ein neuer, attraktiver Fußball-Stil eroberte mit dem BVB und dem FC Liverpool ganz Europa. Die Grundordnung für Klopps Spielidee: 4-3-3. Beeinflusst von seinem früheren Mainzer Trainer Wolfgang Frank setzte der deutsche Fußball-Lehrer seine taktischen Vorstellungen erstmals bei den Rheinhessen um. Es war der Anfang einer bislang nicht endenden Erfolgsstory:

Der Bundesliga-Aufstieg mit dem 1. FSV Mainz 05, zwei Meistertitel und ein DFB-Pokal-Sieg mit Borussia Dortmund, ein Champions-League-Triumph und die lang ersehnte Meisterschaft mit dem FC Liverpool. Die Liste wird immer länger.

 

Klopps Spielidee: der Vollgas-Fußball

Die Idee hinter Klopps Siegeszug: Vollgas-Fußball, auch bei Ballbesitz des Gegners. Der Grundgedanke des Klopp'schen Pressings ist das Isolieren des ballführenden Spielers bzw. der ballführenden Spielerin (im Idealfall eine*r der beiden Innenverteidiger*innen) durch das Zustellen der ballnahen Anspielstationen. Erfolgt dann der von der Offensive provozierte Pass, wird das Pressing ausgelöst.

Meistens ist dies ein Querpass zwischen den beiden Innenverteidiger*innen oder ein Rückpass, auch das Andribbeln des/r Ballführenden könnte so ein „Trigger“ sein. Bei optimaler Umsetzung erobert der Angriff dann in der gefährlichen Zone den Ball, ohne sich selbst dorthin kombinieren zu müssen.

4-3-3-Pressing erklärt

Auf der Taktiktafel funktioniert Klopps Idee von Pressing und Gegenpressing wie folgt:
In vorderster Linie laufen die Außenstürmer*innen die Innenverteidiger*innen, die zuvor den ersten Pass erhalten hat, bogenförmig an. So soll zum Einen Druck ausgeübt und zum Anderen der Passweg zu den Außenverteidiger*innen zugestellt werden. Die beiden weiteren Stürmer*innen im 4-3-3 System orientieren sich an ihren Gegenspieler*innen, meist der oder die zweite Innenverteidiger*in sowie der oder die defensive Mittelfeldspieler*in.

Hinter der ersten Linie formieren sich die beiden „Achter“ sowie der defensivere zentrale „Sechser“. Die Mittelfeldlinie orientiert sich dabei an den Schnittstellen der drei vordersten Angreifer*innen und achtet auf das raumorientierte Schließen des Zentrums, jedoch nicht, ohne die unmittelbaren Passwege zuzustellen.

Das Ziel ist es, das Spiel des Gegners nach innen zu lenken, wo der/die Mittelstürmer*in sowie das Dreier-Mittelfeld die Räume bereits stark verdichtet haben. Die einzigen einfacheren Optionen, die den Ballführenden noch bleiben, ist entweder der hohe Pass in die Tiefe, oder die Verlagerung zu den Außenverteidiger*innen. Kommt es zum Pass in die Außenspur, dient dies erneut als Pressing-Auslöser. Folglich versucht das Team nun den/die Außenverteidiger*in zu isolieren.

 

Pressing und Gegenpressing

Das Klopp'sche Gegenpressing folgt dem gleichen Modell wie das Pressing. Mit dem Unterschied, dass dies direkt nach dem eigenen Ballverlust angegangen wird. Wenn das gegnerische Team den Ball im eigenen Drittel in einer geordneten Defensive erobert und ins Umschaltspiel übergeht, somit also den Fokus auf eine geordnete Offensive legt, ist die Chance hoch, dass er dabei die Ordnung in der eigenen Defensive verliert.

Dafür ist es notwendig, dass sich die SpielerInnen im Klopp-System wiederum auch bei eigenem Ballbesitz vorausschauend positionieren. Hier kann die 4-3-3 Aufstellung auch in ein 4-1-2-1-2 umgewandelt werden, das nach Ballverlust wieder in die ursprüngliche Grundordnung übergeht. Klopp formulierte seine Überlegungen zu diesem Gegenpressing-Prinzip einst treffend:

„Denken Sie an die Pässe, die man spielen muss, um einen Zehner in die Position zu bringen, in der er einen genialen Pass spielen kann. Mit Gegenpressing kann man den Ball näher am Tor zurückerobern. Da ist es nur noch ein Pass bis zu einer Großchance.

Der beste Spielmacher ist Gegenpressing, der günstigste Moment, den Ball zu erobern, ist direkt nach dem eigenen Ballverlust. Und deshalb ist Gegenpressing so wichtig." Sowohl Pressing als auch Gegenpressing können natürlich in allen Mannschaftsteilen erfolgen. Unterschieden wird dabei zwischen Angriffs-, Mittelfeld- und Abwehrpressing.

Je nachdem, auf welcher Höhe des Spielfeldes das Pressing praktiziert wird: am gegnerischen Sechzehner, an der Mittellinie oder in der eigenen Spielhälfte.

 

Spielertypen im Klopp-System

Egal, wo das Pressing gerade stattfindet, für dessen Umsetzung braucht es die richtigen Spieler(typen). Eine schnelle vorderste Reihe ist dabei sehr wichtig, auch taktisch geschickte und mutige Abwehrspieler*innen, die über eine gewisse Grundschnelligkeit verfügen.

Wenn die Stürmer*innen vorne pressen, rückt die letzte Reihe nach und gibt so natürlich Raum in ihrem Rücken preis, woraufhin eventuelle lange Bälle des Gegners abgefangen werden müssen. Ein ausschlaggebender Punkt ist die Fitness, die bei jedem Profi aber vorausgesetzt sein sollte. Vielmehr komme es auf das Durchhaltevermögen und der inneren Einstellung an, als auf das der körperlichen Kraft, erklärte Klopps Co-Trainer Peter Krawietz einmal im „kicker“.

Dinge, die die Spieler*innen also schon mitbringen oder ein Trainertyp wie Klopp seinen Schützlingen eindringlich vermittelt. Und dies gilt ja ohnehin als die größte Stärke des Welttrainers der Jahre 2019 und 2020.

 

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