Dietmar Hopp – Ehrensohn?

B42

02.03.2020 Lesezeit: 3 min

Über einen Mann, der Fußball-Deutschland spaltet

Dreizehn Minuten lange wechselte der Ballbesitz im Bundesligaspiel zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem FC Bayern München buchstäblich im Sekundentakt – beinahe jeder Pass landete unmittelbar wieder beim Gegner. Was sich nach einer typischen Ballstafette der heimischen Kreisliga anhört, war in Wirklichkeit ein vereinbarter Nicht-Angriffs-Pakt zweier Bundesligisten, nachdem eine Fangruppierung des FC Bayern München Spruchbänder mit der Aufschrift „Hurensohn“ hisste.

Der Adressat: Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp. Demonstrativ stellten beide Mannschaften das Fußballspielen ein, wollten Geschlossenheit, Einigkeit und Verbundenheit zeigen. Eine richtige und keineswegs unangemessene Aktion.

Es stellt sich für uns jedoch die Frage, warum dies erst jetzt passiert – bei Anfeindungen gegen einen Milliardär mit Einfluss im Fußballgeschäft. Warum nicht bereits vor Wochen, als etliche Fußballspieler rassistischen oder anderen, extremen Beleidigungen zum Opfer fielen.

Ein Problem der gesamten Liga

Diese Beleidigungen fanden übrigens nicht nur in Sinsheim statt. An diesem Bundesliga-Wochenende kam es in mehreren Stadien zu Schmähungen gegen Dietmar Hopp. In der Hoffenheimer Arena verliefen die Schmähungen jedoch weitaus turbulenter. Zunächst ging die komplette Bayern-Elf sowie Hansi Flick und Sportdirektor Hasan Salihamidzic vor die eigene Fan-Kurve, wild gestikulierend. Die Hoffenheimer verließen schließlich geschlossen den Platz, die Bayern-Spieler wenig später.

Dietmar Hopp, für viele steht er für die personifizierte Kommerzialisierung des Fußballs, muss sich seit Jahren bereits diverser Anfeindungen ausgesetzt sehen. Er gilt als Anti-Traditionalist.

Hintergrund der “Fan“-Aktionen an diesem Wochenende ist jedoch in Wirklichkeit die Wiedereinführung der Kollektivstrafe durch den DFB – ausgesprochen gegen die Fans von Borussia Dortmund. Sie haben im September 2018 den TSG-Mäzen Hopp im Fadenkreuz gezeigt. Und das, obwohl der DFB im August 2017 mitgeteilt hat, auf Kollektivstrafen zukünftig verzichten zu wollen. Die Institution Fußball und seine Fans – nun eskaliert es.

 

Selbstverständlich gibt es über die Art und Weise dieses Protests keine zwei Meinungen. Dietmar Hopp als „Hurensohn“ zu beleidigen, zu diffamieren sowie verbal zu verletzen ist primitiv und geschmacklos – und hat im Fußball wie auch in unserer Gesellschaft keinen Platz.

Generell sind Schmähungen oder gar symbolische Morddrohungen wie beim Hopp’schen Fadenkreuz kein legitimes Mittel des Protestes. Mit solchen Aktionen stellt man sich über den Verein, beschädigt dessen Image wie auch dessen Geldbeutel.

Auch deshalb wurde es seit vorgestern einsam um die Fangruppierungen. Man wendet sich ab: Die Mannschaften fühlen sich um den sportlichen Lohn gebracht, Funktionäre distanzieren sich und die restlichen Stadionbesucher fragen sich ohnehin, warum es mittlerweile nicht mehr um den Sport geht.

Wieso reagiert man erst jetzt?

Aber es muss auch die Frage gerechtfertigt sein, ob die Reaktionen wirklich im Verhältnis stehen zu den vielen anderen Vorkommnissen im deutschen Fußball in jüngster Vergangenheit.

Als zum Beispiel Herthas Jordan Torunarigha vor gut drei Wochen weinend auf dem Platz stand, weil er, wie er sagt, von Schalke-Fans rassistisch beleidigt wurde, wurde das Spiel nicht unterbrochen. Mehr noch, Torunarigha wurde dafür wenig später mit einer Gelb-Roten Karte des Feldes verwiesen, weil er frustriert eine Getränkekiste zu Boden warf.

Kaum jemand äußerte nach dem Spiel sein tiefstes Mitgefühl und sprach vom „hässlichen Gesicht“ des Fußballs. Niemand nahm öffentlich, inmitten des Spielfeldes den Spieler in den Arm während der Reporter Standing-Ovations für diese Anteilnahme einforderte.

Nicht für Torunarigha, nicht für Werner, nicht für Gomez – obwohl auch sie in jüngster Vergangenheit immer wieder zur Zielscheibe ekelhafter Anfeindungen wurden.

Die Geschehnisse im Spiel Hoffenheim gegen Bayern wurden als Eskalationsstufe zwei eingeordnet – bei Drei wäre das Spiel abgebrochen und wahrscheinlich mit X : 0 für Hoffenheim gewertet worden.

Wir würden uns wünschen, dass diese progressive Zählweise nicht erst bei Milliardären mit Einfluss im bezahlten Fußball beginnt. Es sollte vielmehr Konsens sein, dass bei jeglicher Art von Rassismus, Homophobie oder sonstiger Diskriminierung ohne Umwege Stufe drei erreicht ist!

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